In nicht mal zwölf Stunden ist eine Windanlage aufgestellt

Schwindelfrei in 50 Meter Höhe

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Es ist zehn Uhr an einem trüben Montagmorgen im November. Seit mehren Stunden warten sie schon in einem als "Bauwagen" umfunktionierten Wohnwagen, die Windmüller des Wendlands, warten vor dem Fundament für die neue Mühle am Lerchenberg. Sie warten auf den Turm und die Gondel der neu aufzustellenden Windmühle, die noch heute "zusammengeschraubt" werden soll. Zwei riesige 300-Tonnen-Kräne haben bereits am Vorabend ihre langen Hälse ausgefahren, sich mit ihren gewaltigen Stelzen einen sicheren Platz auf dem abgeernteten Rapsfeld gesucht, um die bis zu 30 Tonnen schwere Last des Maschinenhauses in die luftige Höhe von 50 Metern zu tragen.

Ungeduldig sind nicht nur die Kranführer, ungeduldig sind auch die Monteure der Bremer Firma AN, die schließlich noch vor Einbruch der Dunkelheit ihren Job zu beenden dachten. Ungeduldig aber auch das gute Dutzend "Wenden", die sich das Ereignis als Zaungäste nicht entgehen lassen wollen.

Alle warten sie auf die Einzelteile von "Lina", wie die erste der beiden "Geschwister" der bereits im Frühjahr aufgestellten ersten Windmühle des Wendlands mit Namen "Wendolina", genannt werden soll. Die Schwertransporte haben am frühen Morgen den Hof des dänischen Herstellers Bonus verlassen, und rollen seitdem im Konvoi ihrem Ziel entgegen. Das mag schon ein merkwürdiger Anblick sein auf der Autobahn, und dann später auf der Landstraße von Lüneburg ins Wendland sein, wenn vier Spezialtransporter mit den beiden Teilen des Turms, von denen einer fast 30 Meter Länge hat, den Flügeln und dem Maschinenhaus unter Polizeibegleitung und Blaulicht durch die Lande fährt - ziert doch die Gondel, die vor dem Polizeiwagen transportiert wird, das Symbol des wendländischen Widerstands gegen die Atompolitik, eine über zwei Meter große Anti-AKW-Sonne.

Und dann tauchen sie auf, ganz weit hinten am Horizont flimmert das blaue Funkellicht der Polizeibegleitung, die gelben Warnleuchten auf den Spezialtransportern. Es wird noch eine gute halbe Stunde dauern, bis die LKW am Standort der Mühle eingetroffen sein werden, müssen doch in der nahen Kreisstadt Lüchow noch einige Verkehrsschilder demontiert werden, damit das riesige Ungetüm um eine Straßenecke herumkommt.

Es ist schon später Nachmittag geworden, eigentlich rechnet keiner der Schaulustigen mehr damit, daß mit der Aufstellung begonnen wird. Doch die AN-Monteure bereiten ihren Job vor. Sie haben so knapp vor Jahresende ihren Terminplan einzuhalten, im Durchschnitt wollen so kurz vor Jahresende vier Windkraftanlagen in der Woche aufgestellt sein.

Kaum ist der LKW mit dem ersten Turmstück da, ergehen kurze Anweisungen an den Kranfahrer, Zeichen mit der Hand, für den Laien kaum interpretierbar, dirigieren den riesigen Kranhaken an die richtige Position. Das 30 Tonnen schwere Teil erhebt sich majestätisch in die Luft, wird millimetergenau auf die Stehbolzen des Fundaments plaziert. Achtzig Muttern innen, achtzig Muttern außen müssen angezogen werden.

Jeder Handgriff sitzt, ein eingespieltes Team, schon wird das obere Turmelement an den Haken gehängt, entschwebt in die Luft, und wird wiederum mit etlichen Bolzen mit dem Unterteil verschraubt. Es ist schon imposant, in welch kurzer Zeit das riesige Stahlteil dann aufgestellt und befestigt ist.

In luftiger Höhe, fast 50 Meter über den Köpfen der Zuschauer, kaum sichtbar erscheint erst eine Hand dann ein Kopf, und schließlich der Oberkörper eines Monteurs - behende die gut 150 Stufen einer Leiter im Inneren des Turms heraufgeklettert.. Alles ok, der Kranhaken kann ausgeklinkt werden.

Die nächste Runde wird am Boden eingeläutet. Die "Gondel", das Maschinenhaus der Windanlage, wird abgeladen. Zwei der drei 22 Meter langen Flügel werden bereits am Boden montiert, die dritte muß später in luftiger Höhe befestigt werden. So "normal" klein die Flügel aussehen, wenn sie sich später im Wind drehen, so riesig groß sind sie, steht man direkt daneben. Obwohl "nur" aus Kunststoff bestehend, wiegt jeder Flügel doch 7 Tonnen! Auch hier ist Präzisionsarbeit angesagt, müssen die Flügel doch winkelgenau eingepaßt werden, Abweichungen von weniger als einem Grad würden bereits erhebliche Einbußen im Wirkungsgrad zur Folge haben. Dazu sind zwei Kräne im Einsatz, einer an der Flügelspitze, der andere hält das große Stahlrohrteil, mit dem der Flügel an der "Nabe" der Gondel angeflanscht wird. Wieder sind Dutzende von Schrauben festzuziehen.

Wie lange müssen da die AN-Monteure und die Kranführer schon zusammenarbeiten, so, wie jede Bewegung des Auslegers millimetergenau den Handzeichen gemäß "sitzt"! "Noch gar nicht lange - das ist meine erste Windmühle", erklärt der Kranführer. Sie verstehen ihr Handwerk, verstehen die Zeichen, die zusätzlichen Funkgeräte dienen nur zur Grobabstimmung. "Wir haben jeden Tag eine andere Aufgabe, ob nun fertige Betonbauteile, Maschinen oder Windmühlen am Haken hängen: wir heben alles".

Auch der zweite Flügel ist befestigt. Der schwierigste Akt folgt. 30 Tonnen Gesamtgewicht, das Maschinenhaus mit den zwei Flügeln, müssen nun in 50 m Höhe gebracht werden. Der Kranausleger ist ganz ausgefahren, an der Spitze noch eine zusätzliche Verlängerung aus Stahlrohrgittern angebracht. Genau berechnet ist der Schwenkbereich, der mit der Last erreicht werden kann, kein halber Meter mehr ist möglich, Gewicht und Winkel sind ausgereizt bis zum letzen. Langsam, aber stetig schwebt die "Gondel" in den Abendhimmel, stolz lacht die Anti-AKW-Sonne, der Ausleger biegt sich wie eine Angelrute. Gute fünf Minuten später, fast unmerklich, ist die Turmspitze erreicht, wieder tauchen zwei Köpfe in luftiger Höhe auf, geben Zeichen, Präzise senkt sich das Maschinenhaus mit den Flügeln, dem Getriebe, dem Generator, also dem "Herz" der Windanlage, auf den Stahlturm. Wieder sind Dutzende von Stahlbolzen zu verschrauben, damit die Anlage auch bei stärkstem Sturm nicht ins Wanken gerät.

Und der Wind bläst kräftig und kalt! Mittlerweile ist es dunkel geworden, aber die Scheinwerfer der Kräne geben ausreichendes Licht für die Beobachter aus der Umgebung, die sich inzwischen reichlich eingefunden haben, um bei Lammbratwurst und Bier den Fortschritt der Arbeiten zu begutachten. Oben am Turm kann man die AN-Monteure kaum noch erkennen, lediglich ihre Stirnlampen tanzen wie kleine Irrlichter im Nachthimmel.

Nun folgt der schwierigste Teil, der dritte Flügel muß montiert werden. Am Kran hängt jetzt ein Spezialgestell, eine Art Korb mit einem Ausschnitt, oben dran ein Galgen, der den letzten der Windmühlenflügel trägt. Hoch oben in der Luft schaukelt diese Konstruktion, tonnenschwer, toben die unerschrockenen AN-Monteure von einer Seite zur anderen, um die richtige Position zu finden, mit dem sich der widerspenstige Flügel dann doch in die passenden Stehbolzen dirigieren läßt. Von unten her gesehen wird einem allein bei der Vorstellung schlecht, in dieser Höhe bei Wind und Regen arbeiten zu müssen...

 

Was für "uns da unten" eine Horrorvision wäre, ist für "die da oben" eben tägliche Routine. Nicht lange, und auch der letzte Flügel ist in Position, eingehängt und verschraubt.

Das Werk ist getan - für heute. Die letzten Werkzeuge werden verstaut, die Kräne abgebaut - und ein paar Hundert Meter erneut in Position gebracht. Morgen soll die nächste "unserer" Mühlen hier im Wendland aufgestellt werden, "Wendo", wie sie getauft werden wird. Während die AN-Monteure und die Kranfahrer mit ihrer Arbeit begonnen haben, sind die dänischen Fahrer der Schwerlaster schon längst wieder auf dem Weg nach Hause. Eine kurze Nacht, und dann geht's wieder los ins Wendland. Die nächste Mühle wird gebracht.

Ein paar Tage noch hat ein Techniktrupp der Bremer Firma AN noch zu tun. Die Stromkabel müssen vom Maschinenhaus hoch oben mit dem Schaltschrank am Turmfuß verbunden, werden, der Hochspannungsanschluß zum 20.000-Volt-Trafo verlegt, die Steuerungscomputer programmiert werden, die Elektronik getestet. Dann wird die Mühle ihren Testlauf absolvieren, werden sich die Flügel im Wind drehen, wird die erste Kilowattstunde Windstrom ins öffentliche Netz eingespeist werden. Wieder sind 600 KW umweltfreundlich erzeugte Energie installiert. Wieder ist der Atommafia ein kleines, unscheinbar, aber bedeutendes Steinchen in den Weg gelegt worden. Und die über Hundert Kommanditisten der "Wendland Wind" können jeden Tag mit eigenen Augen sehen, wie sich die drei Mühlen drehen, wie ihr angelegtes Geld umweltfreundlich "arbeitet".

"Unsere" Mühlen. Wendo, Lina und Wendolina. Auch im Wendland kommt der Strom aus der Steckdose. NiX mehr und NiX weniger. Windstrom eben. Kein Atomstrom. Für uns. Unsere Kinder. Unsere Zukunft. Und die der Menschheit.

Dieter Metk


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